Mögliche Beschwerden

Verletzungen im Bereich Beckenboden können zu sehr unterschiedlichen Beschwerden führen. Wir haben Ihnen einen Beschrieb mit Symptomen zusammengestellt, über welche Frauen nach Geburten berichten. Manche Frauen stellen ein einziges Symptom fest, andere berichten von mehreren Symptomen.
Weiter finden Sie unter dem Menüpunkt „Beschwerden“ einige Symptome und ihre Ursachen detaillierter dargestellt.

Wie äussern sich Geburtsverletzungen im Beckenboden?

Geburtsverletzungen äussern sich auf vielfältigste Art und Weise. Kurz zusammengefasst merken die Frauen, die einen körperlichen Schaden erlitten haben, dass mit ihrem Körper nach der Geburt «etwas nicht mehr stimmt» oder mehrere Dinge «nicht mehr gut» sind. z. B., dass sie Probleme haben mit dem Urin (Urinverlust oder Mühe zu urinieren) mit dem Stuhlgang (Stuhlgang- oder Darmgas-Verlust oder Mühe den Stuhlgang herauszubringen), mit der Sexualität (Schmerzen, Missempfindungen, Verringerung der Erregbarkeit), bei Bewegungen, mit Schmerzen und Missempfindungen wie Kribbeln, Jucken, Brennen, Druck nach unten, Zug nach unten. Einige Symptome lassen sich gut beschreiben, für andere finden die Frauen kaum Worte. Unter folgender Auflistung ist zusammengefasst, von welchen Symptomen immer wieder von Betroffenen berichtet wird. 

Es gibt Frauen, die bemerken den Geburtsschaden unmittelbar nach der Geburt. Bei einigen Frauen zeigen sich Beschwerden, die sich zuerst wieder deutlich bessern und erst im späteren Leben wieder zum Vorschein kommen. Andere Frauen stellen erst Monate, Jahre oder gar Jahrzehnte nach der Geburt fest, dass sie eine Schädigung durch die Geburt erfahren haben.

Wichtig: Wenn Sie an etwas anderem leiden als in der Auflistung angegeben, nehmen Sie das bitte dennoch ernst! Sie kennen Ihren Körper als einzige Person richtig gut. Wenn Sie die körperlichen Veränderungen beschäftigen, holen Sie sich Hilfe (Beckenbodenzentrum). Sie merken selber, was vor der Geburt anders war als nach der Geburt.  

Harninkontinenz

Harninkontinenz bedeutet, dass man nicht mehr oder nur noch eingeschränkt kontrollieren kann, wann man die Blase entleert.

Man unterscheidet zwischen verschiedene Arten von Harninkontinenz. Untenstehend sind drei Formen kurz beschrieben.

Belastungsinkontinenz

Die Belastungsinkontinenz ist die häufigste Form der Inkontinenz nach der Geburt. Dabei verliert die Frau Urin bei körperlichen Tätigkeiten. Wenn sie z. B. lacht, joggt, niest, hustet oder etwas Schweres hebt, geht ihr in Tropfen, im «Gutsch» oder im Schwall Urin ab.

Dranginkontinenz

Die Dranginkontinenz kommt seltener vor aufgrund einer Geburt. Bei dieser Form der Inkontinenz verspürt die Frau einen grossen Drang, auf die Toilette zu gehen, schafft es aber nicht mehr rechtzeitig dorthin.

Mischinkontinenz

Manche Frauen haben nach der Geburt beide Arten von Inkontinenz. Sie verlieren Urin sowohl bei körperlicher Belastung und erreichen gleichzeitig die Toilette nicht mehr rechtzeitig, wenn sie merken, wenn sie Harndrang haben.

Probleme mit Blasenentleerung / Harnverhalt

Bei einem Harnverhalt kann die Blase nicht mehr ohne Hilfsmittel oder nur noch erschwert entleert werden. Das heisst: Der Urin kommt nicht mehr oder nicht mehr gut heraus, wenn man Pipi machen möchte bzw. sollte.

Veränderte Wahrnehmung bei gefüllter Blase

Von manchen Frauen wird berichtet, dass sie nach der Geburt den Harndrang nicht mehr in gleicher Weise spüren. Vor der Geburt war es ein «gesund-unangenehmer» Drang, nach der Geburt ist es ein «ungesund-unangenehmer» Drang, der sich dumpf oder «irgendwie lästig» anfühlt und bei dem man «kaum etwas anderes denken kann».

Verstärkter Harndrang


Ebenfalls erwähnen immer wieder Frauen von einem fast ständigen Harndrang, auch dann, wenn die Blase nur wenig gefüllt ist bzw. auch dann, wenn sie kurze Zeit vorher auf der Toilette waren.

Stuhlinkontinenz

Bei einer Stuhlinkontinenz, auch Darminkontinenz genannt, ist die Frau nicht mehr in der Lage, genügend zu kontrollieren, wann sie ihre Darmluft (Pups, Furz) rauslässt oder wann sie ihren Darm entleeren geht. Auch hier gibt es verschiedene Formen der Inkontinenz.

Dranginkontinenz

Die Frau merkt, dass sie auf die Toilette sollte, kann den Toilettengang aber nur noch ungenügend aufschieben. Beim gesunden Körper kann der Stuhlgang unterdrückt werden, der Darminhalt rutscht wieder zurück und der Drang verschwindet wieder. Bei der Dranginkontinenz ist das nicht der Fall. Die Vorwarnzeit, bis eine Toilette gebraucht würde, ist verkürzt; bei manchen Frauen beträgt diese nur noch sehr wenige Minuten oder der Drang zeigt sich fast unmittelbar vor dem Stuhlverlust. Ist keine Toilette in der Nähe, auf welche die betroffene Frau eiligst gehen kann, geht der Stuhlgang in die Hose.

Schmierinkontinenz

Bei dieser Art der Inkontinenz merkt die Frau nicht, wenn sie Darminhalt verliert. Sie bemerkt dann später, dass es Darminhalt in der Unterhose bzw. der Einlage oder Windel hat.

Windinkontinenz

Bei einer Windinkontinenz verliert die Frau Darmgase (Fürze, Pupse). Es kann sein, dass sie merkt, dass sie pupsen, furzen muss, dies aber nicht mehr genügend zurückhalten kann. Es kann aber auch sein, dass die Frau nicht merkt, wie ihr die Darmluft entweicht. Sie bemerkt das erst, wenn sie das Abgehen des Darmgases hört oder riecht.

Probleme mit Stuhlentleerung

Manche Frauen berichten, dass sie den Stuhldrang deutlich spüren und der Darminhalt entleert werden sollte, aber dieser kommt nicht oder nur erschwert heraus und immer wieder auch nicht der ganze Inhalt heraus. Es gibt Frauen, die müssen als Hilfe für die Stuhlentleerung den Finger in die Vagina halten und den Darm zurückstossen. Durch diese „Schiene“ lässt sich der Darm für sie besser oder überhaupt erst entleeren.

Probleme mit der Dammnaht

Wenn es bei der Frau zu einem Einreissen des Damms oder einem Schnitt (Episiotomie) gekommen ist unter der Geburt, kann eine solche Schmerzen verursachen. Die Schmerzen können zum Beispiel beim Sitzen, Fahrradfahren oder in der Sexualität auftreten, durch Reibung z. B. an der Unterhose entstehen oder in Kombination mit abgesenkten Organen zu (verstärkten) Beschwerden führen.

Schmerzen und Missempfindungen

Es gibt sehr verschiedene Gründe, warum und welche Art von Schmerzen und Missempfindungen Frauen mit Beckenbodenverletzungen haben. Frauen berichten von Schmerzen bzw. Missempfindungen im unteren Rückenbereich, in der Dammregion, generell im Beckenbodenbereich, von einem Ziehen nach unten, von einem Drücken nach unten, von einem «Einschlafen» von Bereichen im Beckenboden, von dem Gefühl, dass innere Organe «fast raus fallen», von Brennen und Jucken in der Region im äusseren Intimbereich, von Beschwerden durch Reibung an der Unterhose. Vielmals werden solche Beschwerden im Verlauf des Tages, beim Stehen oder während der Menstruation stärker. Auch gibt es Frauen, die beschreiben, dass sie weniger stabil sind in der Region des Beckens. Sie knicken immer wieder mal leicht ein, wenn sie stehen oder sich bewegen, sie merken, dass sie weniger stabil sind, wenn sie die Beine bewegen oder eine weniger gute Balance haben. Ihre «Mitte» hat nicht mehr die gleiche Kraft wie vor der Geburt.

Gerade Senkungen von Organen wie der Gebärmutter, der Vagina, der Blase oder des Darms bzw. eine Levator-Avulsion können zu Symptomen, die oben genannt wurden, führen. 

Analfissur

Eine Analfissur ist ein kleiner, aber äusserst schmerzhafter Riss in der Analschleimhaut. Betroffene beschreiben die Schmerzen beim Stuhlgang meist als kratzend und stechend, so, als ob der Stuhl Stacheln hätte. Diese können sich über viele Stunden nach dem Stuhlgang hinziehen, auch in ein Jucken bzw. eine Mischung aus Schmerzen und Jucken übergehen, und die Betroffenen können aufgrund der Intensität und äusserst dominanten Art des Schmerzes kaum an etwas anderes denken. Der Stuhlgang ist oftmals schmaler geformt, manchmal hat er nur noch die Dicke eines Bleistifts. Gerade zu Beginn der Entstehung einer Analfissur bemerken viele Betroffene Blut auf dem Toilettenpapier oder im Wasser der Toilette. Dauert eine akute Analfissur länger an, fällt ein Bluten oftmals weg, die Schmerzen bwz. ein Jucken oder eine Mischung aus Jucken und Schmerz werden unter Umständen als weniger ausgeprägt wahrgenommen als in den ersten Wochen nach der Entstehung (oder Neu-Entstehung), belasten viele Patientinnen aber weiterhin.

Probleme mit der Sexualität

Beckenbodenverletzungen können auf unterschiedliche Art das sexuelle Wohlbefinden belasten. Einige Frauen berichten von einem einzigen Symptom, andere von mehreren.

Schmerzen

Manche Frauen haben Schmerzen beim Geschlechtsverkehr bzw. bei sexuellen Aktivitäten. Sie haben zum Beispiel Schmerzen bei der Dammnaht oder in der Vagina, welche Narben hat. Andere Frauen berichten von Schmerzen «weiter innen» im Beckenboden.

Es kann aber auch zu Schmerzen kommen, wenn z. B. die Gebärmutter abgesenkt ist und somit der Penis gegen die Gebärmutter stösst.

Verminderte Empfindung

Andere Frauen berichten von einer verminderten Empfindung. Sie spüren ihren Partner nicht mehr richtig in sich, wenn er eingedrungen ist. Oder es kommt nicht mehr die Lust auf, die die betroffenen Frauen vor der Geburt erlebt haben.

Missempfindung

Dann gibt es Frauen, die beschreiben eine Wahrnehmung, die kaum in Worte zu fassen sind. Sie erleben eine körperlich irritierende Reaktion beim Sex, die nicht als richtiger Schmerz beschrieben werden kann, aber mit dem Wort «Missempfinden» wohl am passendsten beschrieben werden kann. Das kann ein unangenehmes Ziehen, Pochen, Kribbeln sein, oder auch etwas ganz anderes, für das passende Begriffe fehlen. Frauen, die dies erleben, können eigentlich nur beschreiben, dass etwas «da unten nicht stimmt» und sich falsch, nicht gut anfühlt.

Inkontinenz

Die Hälfte aller Frauen, die an einer Harn-Belastungsinkontinenz leiden, verlieren Urin auch beim Sex. Ebenso kann es vorkommen, dass Frauen mit einer Stuhlinkontinenz während sexuellen Aktivitäten Darminhalt oder Darmgas verlieren. Nur schon die Angst davor, in eine solch peinliche Situation zu gelangen, kann eine Frau davon abhalten, sexuell aktiv zu sein bzw. sich entspannt und mit Freude und Lust sexuellen Aktivitäten hinzugeben.

Scham, erlebter Minderwert

Frauen, derer Beckenboden bei der Geburt Schaden genommen hat und die unter den hier beschriebenen (oder auch anderen) Symptomen leiden, erleben sich nicht selten als sexuell weniger attraktiv oder gar als unattraktiv. Wer sich nicht mehr wohl fühlen kann im eigenen Körper, kann die Sexualität kaum mehr richtig geniessen und weicht sexuellen Aktivitäten aus.

Psychische Belastung

Ganz speziell sei hier die teils enorme psychische Belastung genannt, denen Frauen durch solche Beschwerden und die zum Teil massiven Beeinträchtigungen auf ihr Leben ausgesetzt sind. Wie oft hören wir, wie Frauen von dem Leben VOR der Geburt und dem Leben NACH der Geburt sprechen. Das mag Frauen, die eine gute Erholung von den Verletzungen erleben, weniger ausgeprägt oder nicht betreffen. Für Frauen allerdings, die langfristig und ohne Aussicht auf eine gute Besserung mit den meist äusserst demütigenden Beschwerden zu kämpfen haben, bedeutet dies nicht selten, dass sie gezwungen sind, mit grossen Einschränkungen in ihrem Alltag, in ihrem Arbeitsleben (falls sie denn überhaupt noch erwerbstätig sein können), in ihrer Partnerschaft, in ihrem Familienleben mit den Kindern und ganz allgemein in ihren sozialen Kontakten zu kämpfen. Als wären all die Symptome und ihre Auswirkungen auf ihr Leben nicht schon genug, muss ein grosser Teil der Frauen auch noch mit den quälenden Fragen leben: „Warum hat mir das vor der Geburt niemand gesagt? Warum wurde ich so unzureichend, einseitig und somit so falsch informiert von den Fachpersonen, die mich in der Schwangerschaft und durch die Geburt begleiteten? Warum war mir als Schwangere in Bezug auf die Geburtswege eine informierte Entscheidung – wie sie sonst überall gilt – verwehrt?“
Der Schock, entweder schleichend oder gar von einer Sekunde auf die andere von Beschwerden betroffen zu sein, von denen niemand sie gewarnt hat und von denen man vermutlich noch nie zuvor gehört hat, hockt vielen Frauen tief in den Knochen. Nicht wenige haben mit einem grossen Vertrauensverlust in die Berufsgruppen zu kämpfen, die sie in diese missliche Lage hineinbegleitet oder sogar hinein motiviert haben. Dass diese Frauen dann viel zu häufig noch im Regen stehen gelassen werden, sie mit ihrer Not alleine gelassen und falsch vertröstet werden, nicht nach Diagnosen gesucht wird oder diese nicht gefunden oder nicht genannt werden, ist dann noch das Tüpfchen auf dem zutiefst traurigen „i“.
Unserer Erfahrung nach muss man im Grunde sagen: Körperliche Geburtsschäden bei den Müttern bergen ein immenses Risiko dafür, dass es zu psychischen Belastungen bei den betroffenen Frauen kommt. Es kann also sehr sinnvoll sein, sich als Betroffene nicht nur für die körperlichen, sondern auch für die psychischen Themen bei dafür ausgebildeten Fachpersonen Unterstützung zu holen.

Kathrin Häni, aktualisiert am 01.02.2025