1. Einleitung
Ich bin selbst betroffen und schreibe das alles aufgrund meiner Erfahrungen. Hauptursache für anale Inkontinenz ist häufig eine Verletzung der Beckenbodenmuskeln und Nerven, bei der vaginalen Geburt. Hier könnt Ihr die Zusammenfassung meiner Erfahrungen der letzten Jahre lesen. Wer es nicht so genau wissen möchte, sollte jetzt aufhören zu lesen. Wer jedoch wissen möchte, woher die Beschwerden kommen können, wie man vorbeugen kann, der kann hier Antworten finden.
Anale Inkontinenz nach vaginaler Geburt ist ein Tabuthema, über das die meisten Frauen nur sehr schwer sprechen können. Die wenigen Frauen, die sich ihrem Frauenarzt oder der Hebamme nach der Geburt anvertrauen, bekommen leider oft zu hören, dass es ganz normal wäre, nach einer Geburt Winde nicht halten zu können oder Probleme zu haben den Stuhl zu halten. Leider stimmt das so nicht, sonst wäre jede Frau nach jeder vaginalen Geburt anal inkontinent. Bei der vaginalen Geburt kann es zu Abrissen, Einrissen und Überdehnungen von Muskeln, Haltebändern und Nerven im Beckenbodenbereich kommen. Diese können auch langfristige Beeinträchtigungen unterschiedlicher Schwere und Symptome nach sich ziehen. In diesem Beitrag möchte ich mich nur auf die anale Inkontinenz beziehen. Das Thema ist sehr komplex und es gibt nur wenige Ärzte, in diesem Fall, fast ausschließlich, Proktologen, die sich mit analer Inkontinenz aufgrund postpartaler Beckenbodenverletzungen beschäftigen. Deshalb habe ich diese Informationen zusammengefasst, damit betroffene Frauen schneller an Hilfe kommen.
2. Definition-Wann spricht man von analer Inkontinenz:
Anzeichen analer Inkontinenz können sein: Verschmutzungen in der Wäsche, vermehrter Toilettenpapierverbrauch, nicht sauber werden nach der Darmentleerung, erhöhte Dringlichkeit, Stuhlschmieren, Winde nicht halten können, flüssigen oder festen Stuhl nicht halten können.
2.1 Stuhlinkontinenz-Klassifikationen
- Die Einteilung der analen Inkontinenz in Graden 1-3.
- Den Wexner Score (dieser ist noch detaillierter).
2.3 Zahlen-wie häufig kommt es nach Geburten vor?
Die Zahlen betreffend, wie viele Frauen darunter leiden, findet man unterschiedliche Angaben. Das Risiko einer analen Inkontinenz steigt mit dem Dammrissgrad und auch, ob er erkannt und fachgerecht versorgt wurde. Ebenso steigt das Risiko mit jeder weiteren vaginalen Geburt, die mit einem Dammriss einhergeht. Zusätzliche Verletzungen der tieferen Beckenbodenmuskelschichten stellen auch ein Risiko dar. Derzeit werden solche Verletzungen leider oft nicht diagnostiziert und leider auch nicht versorgt.
3. Wichtigkeit einer korrekten Dammrissdiagnose
Es ist sehr wichtig, dass Dammrisse zuverlässig diagnostiziert und den Leitlinien entsprechend
genäht werden! Nachfolgend eine grobe Zusammenfassung.
3.1 Leitlinien zur Dammrissdiagnostik und Versorgung
Die Leitlinien werden alle paar Jahre überarbeitet. Hier eine kurze Zusammenfassung:
- DR 1: Oberflächlicher Riss, der die Haut am Damm, jedoch nicht die Muskulatur betreffen darf.
- DR 2: Haut und Muskulatur sind verletzt. Der Schließmuskel ist jedoch noch intakt.
- DR 3: Der Schließmuskel ist teilweise oder komplett gerissen. Man teilt hier auch nach Schwere der Verletzung ein.
- DR3a-weniger als 50% der Muskeldicke des äusseren analen Schließmuskels sind zerrissen.
- DR3b-mehr als 50% der Muskeldicke des äusseren analen Schließmuskels sind zerrissen.
- DR 3c-äusserer und innerer analer Schließmuskel sind zerrissen.
- DR 4: in diesem Fall ist zusätzlich zum Schließmuskel auch noch die Darmschleimhaut des Enddarmes verletzt.
Ein Dammschnitt kann auch zu einer Schließmuskelverletzung führen. Es ist wichtig, dass er fachgerecht ausgeführt und genäht wird. Ab einem DR 3.Grades hat die Frau das Recht im OP unter guter Analgesie
genäht zu werden! Wichtig ist auf ausreichend Analgesie schon beim Diagnostizieren zu achten! Wenn ein Dammriss nicht stark blutet, muss er nicht unmittelbar genäht werden. Dazu gibt es unterschiedliche Zeitangaben.
3.2 Eine digital rektale Untersuchung nach jeder vaginalen Geburt!
Nach jeder vaginalen Geburt sollte, vor einer Naht, eine Verletzung des analen Schließmuskels mittels digital rektaler Untersuchung von einem erfahrenen Facharzt ausgeschlossen werden. Wünschenswert wäre es nach jeder vaginalen Geburt eine digital rektale Untersuchung und zusätzlich eine anale Sonographie von
geschulten kompetenten Ärzten verpflichtend zu machen! Leider ist das noch nicht der Fall.
4. Wissenswertes zu Diagnostik und Versorgung von Dammrissen
4.1 Okkulte Dammrisse und Schließmuskelverletzungen
Das bedeutet, dass die Perinealmuskeln und der Schließmuskel, unter intakter Haut zerreißen. Die Haut am Damm ist nur wenig gerissen, darunter sind jedoch Muskeln gerissen. Diese Verletzungen werden oft übersehen und nicht genäht. Wichtig ist, eine gewissenhafte Diagnostik und auch immer eine Kontrolle des analen Schließmuskels. Solche okkulten Verletzungen sind ein hohes Risiko für anale Inkontinenz, wenn sie nicht ordentlich genäht werden. Ist der Damm bis zum Anus gerissen, liegt ein offener DR 3.Grades vor. Sobald der Schließmuskel gerissen ist, liegt ein Dammriss 3. Grades vor und diese Verletzung muss im OP versorgt werden!
4.2 Ist eine anale Inkontinenz nach einer vaginalen Geburt normal?
Es ist wichtig für Frauen zu wissen, dass eine anale Inkontinenz nach einer vaginalen Geburt immer ein Zeichen für eine Verletzung ist. Wurde ein Dammriss 3. oder 4. Grades erkannt, sollte die Verletzung bestmöglich versorgt worden sein und es kann gut sein, dass sich die Symptome wieder bessern, wenn alles gut verheilt ist. Diese Frauen werden meist besser nachbetreut, weil ihre Verletzungen erkannt wurden. Bei Dammrissen unter einem Grad 3, kann die Ursache eine Überdehnung sein und das Gewebe kann sich wieder erholen. Diese kann die Nerven oder die Muskeln betreffen, oder beides. Nerven können/müssen sich erholen. Dies kann zwischen einigen Tagen und Monaten dauern. Es kann aber auch sein dass ein tieferer Dammriss übersehen wurde. Deshalb muss man eine Verletzung, durch eine Untersuchung ausschließen. Zerrissene Muskeln kann/muss man nähen!
4.3 Wird man über die Risiken der vaginalen Geburt aufgeklärt?
Über die Risiken der vaginalen Geburt muss derzeit noch nicht aufgeklärt werden. In der Schwangerschaft wird darüber informiert, dass Geburtsverletzungen passieren können. Es wird erklärt, diese Verletzungen werden nach der Geburt genäht. Leider kann es passieren, dass nicht alle Verletzungen erkannt und genäht werden. Vor allem bei Verletzungen im inneren Beckenbodenmuskelbereich ist es meist noch unüblich diese zu diagnostizieren. Ebenso unüblich ist meist das Diagnostizieren von Nervenschäden.
4.4 Wie viele Frauen erleiden Schließmuskelverletzungen?
Schließmuskelverletzungen nach vaginaler Geburt betreffend, gibt es sehr unterschiedliche Angaben. Jeder dokumentierte Dammriss 3. oder 4. Grades bedeutet auch eine Verletzung der Schließmuskulatur, die nach der Geburt erkannt worden ist. Die Zahlen variieren deshalb, weil es leider von der Erfahrung der Geburtshelfer abhängig ist, ob sie Dammrisse erkennen, dokumentieren und versorgen Es gibt sehr starke Schwankungen zwischen einzelnen Ländern und sicher auch Krankenhäusern.
Seitdem es die anale Sonographie gibt, konnte nachgewiesen werden, dass es trotz intaktem Damm bei bis zu 35% der Erstgebärenden und bei bis zu 44% der Mehrgebärenden zu Schließmuskelverletzungen kommt (Sultan et. al)1
Eine möglichst großzügige Diagnostik eines DR 3/4 sorgt dafür, dass zwar die Zahlen in der Statistik steigen, dafür erhält man die Lebensqualität der Frauen. Dies bedeutet eine große Anzahl von höhergradigen DR zeigt auf, dass die Geburtshelfer gut diagnostizieren konnten und deshalb die Verletzung auch fachgerecht versorgt wurde.
5. Anzeichen analer Inkontinenz nach der Geburt
Sobald eine Frau nach einer vaginalen Geburt Anzeichen einer analen Inkontinenz entwickelt, muss sie weiter betreut werden! Eigentlich ist das das Aufgabengebiet der Geburtenabteilung, der Gynäkologen und der Hebammen. Das bedeutet, sie muss weiter verwiesen werden in ein Beckenbodenzentrum, oder einen Spezialisten der Proktologie, um eine genaue Diagnostik und Therapie einzuleiten! Weiters ist es wichtig
frühzeitig mit einer auf Beckenboden spezialisierten Physiotherapie zu beginnen.
5.1 Untersuchungen bei analer Inkontinenz nach der Geburt
- Untersuchung durch einen spezialisierten Proktologen
- Blickdiagnostik auf den Damm/Analbereich, Dammlänge, Narben
- digital rektale Untersuchung. Diese sollte so erfolgen, um eine gute Aussagekraft zu erzielen: zirkulär tasten zuerst bei lockerem Beckenboden und dann mit jeweils kurzer Anspannung und Entspannung noch einmal zirkulär alle Seiten abtasten. Aus eigener Erfahrung kann ich sagen, Ärzte die mich so untersucht haben, haben den Defekt erkannt. Es gibt auch einige wenige Ärzte die digital rektal auch Defekte des M. Puborektalis im oberen Teil des analen Schließmuskels ertasten können.
- Anale Sonographie. Hier erkennt man Schließmuskeldefekte bildlich dargestellt. Dabei wird eine schmale Ultraschallsonde, ähnlich der vaginalen Sonographie anal eingeführt.
- Eventuell eine anale Manometrie. Dabei wird gemessen, wie stark die Patientin den Schließmuskel anspannen kann.
5.2 Abklärung auf weitere Verletzungen
Meist haben die Frauen nicht nur Beschwerden mit analer Inkontinenz, sondern auch noch andere Beschwerden, weshalb generell eine Abklärung weiterer Verletzungen, aus meiner Sicht empfehlenswert wäre. Derzeit wird meist die Rückbildungszeit abgewartet und in dieser Zeit auch auf die Selbstheilungskräfte der Frau gewartet. Mir wurde auch erklärt, man hofft auf das „Wunder der Rückbildung“. Parallel zur Diagnostik sollte eine auf den Beckenboden spezialisierte Physiotherapeutin zugezogen werden, die die Frau individuell auf Ihre Beschwerden zugeschnitten, berät. Damit dies durch die Krankenkasse bezahlt wird, sollte eine Zuweisung durch den zuständigen Arzt erfolgen.
Wichtig: Es gibt Ärzte die prinzipiell keine übersehenen DR mehr operieren, auch nicht 2 Tage nach Geburt. Manche sagen, sie operieren nach dem Wochenbett. Die meisten arbeiten ab jetzt konservativ. Deshalb ist es so wichtig, dass sich die Frau selbst gut informiert!
6. Ursache einer analen Inkontinenz
Eine Verletzung im Beckenbodenmuskelbereich stellt ein hohes Risiko für anale Inkontinenz dar. Die Symptome können, je nach Größe der Verletzung unterschiedlich stark ausfallen. Es kann sein, dass die Frauen anfangs symptomlos sind, je nach Größe des Defektes und ob noch weitere Verletzungen vorliegen. Die Verletzung kann dann einige Zeit danach, oder Jahre danach, eventuell in einer Schwangerschaft, oder durch Beckenbodensenkungen, oder meist zu Beginn der Wechseljahre, wenn der Beckenboden der Frauen, durch die nachlassenden Hormone schwächer wird, erst symptomatisch werden. Oder es kann sein, dass die Frauen direkt nach einer Geburt eine Stuhlinkontinenz entwickeln, diese aber mit der Zeit, das können Tage, Wochen oder Monaten sein, besser wird. Es kann auch sein, dass die anale Inkontinenz nach der Geburt nicht mehr besser wird. Wie lange ein bestehender Defekt symptomlos bleiben kann, hängt auch von zusätzlichen Verletzungen ab.
6.1 Mögliche Besserung einer analen Inkontinenz nach vaginaler Geburt, trotz Schließmuskeldefekts
Einfach erklärt ist der anale Schließmuskel als Ringmuskel angelegt. Wird er zerrissen, ist er kein „O“ mehr, sondern ein „U“. Dadurch kann er seine Funktion nicht mehr erfüllen. Diese ist nämlich das automatische Abdichten und Verschließen und auch das kontrollierte Entspannen um den Darminhalt austreten lassen zu können. Das Entspannen erfolgt normalerweise zu einem Zeitpunkt, wo es gesellschaftlich passend ist! Ein Muskel zieht sich bei Anspannung zusammen, ist er auf einer Seite gerissen, rutschen die offenen Muskelenden automatisch auseinander. Der Muskel kann nicht schließen, die Frau hat Symptome der analen Inkontinenz. Nach einigen Monaten bildet sich an der offenen Stelle Narbengewebe. Der Muskel kann jetzt durch das Narbengewebe wieder „anziehen“. Die Symptome der analen Inkontinenz werden dann wieder besser. Da Narbengewebe aus Bindegewebe besteht, kann es langfristig kein Muskelgewebe ersetzen. Die Verletzung ist trotzdem da und kann wieder zu Symptomen führen. Nach wie vor ist der Muskel nur mehr ein „U“ und kein „O“.
6.2 Nervenschaden als Ursache für eine anale Inkontinenz
Ein zusätzlich vorhandener Nervenschaden darf kein Grund sein, Dammrissverletzungen nicht ordentlich zu nähen! Zerrissene Muskeln muss man nähen, Nerven können sich erholen und sie können sich wieder vernetzen, wenn die zerrissenen Strukturen ordentlich genäht wurden. Sollte trotz intakter Muskulatur eine anale Inkontinenz vorhanden sein, wäre ein Neuropelveologe ein eventueller Ansprechpartner. Natürlich zusätzlich zur Physiotherapie.
6.3 Relevanz einer raschen Diagnose von Schließmuskelverletzungen
Bei Schließmuskelverletzungen ist, nach heutigem Wissensstand, eine frühestmögliche Operation von großer Bedeutung, um das Outcome zu verbessern. Deshalb ist eine gute Versorgung des Dammrisses so wichtig!
Unabhängig davon, ob eine Frau eine verspätete Schließmuskeloperation wünscht, ist es auch wichtig, für ihr weiteres Leben über solche Verletzungen Bescheid zu wissen. Sie ist informiert und kann damit besser Entscheidungen treffen, die Ihre Zukunft betreffen. Eine solche nicht oder schlecht versorgte Verletzung kann bedeuten: lebenslange Therapien, Einschränkung der Lebensqualität in vielen Bereichen und weitere Operationen. In diesem Fall ist Wissen Macht, um an die bestmögliche Therapie zu kommen und wieder mehr Lebensqualität zu
erreichen.
6.4 Diagnose „Anale Inkontinenz“ bei Frauen ab 50 Jahren
Es betrifft auch ältere Frauen. Meist so ab Beginn der Wechseljahre. Viele schweigen aus Scham und leben mit den Symptomen. Es fehlt Ihnen auch oft der Zusammenhang zur Geburt, weil diese ja, je nachdem 20 Jahre mehr oder weniger zurück liegt. Die Anlaufstelle für diese Frauen ist dann ein spezialisierter Proktologe oder ein Beckenbodenzentrum. Es kann auch sein, dass die anale Inkontinenz mit anderen Symptomen einer
Beckenbodenschwäche einhergeht. Oftmals wird dann erst die Diagnose eines analen Schließmuskeldefektes gestellt, den der Körper der jungen Frau noch kompensieren konnte, im Alter gelingt das nicht mehr. Ein Hinweis auf einen Schließmuskeldefekt ist eine Dammlänge unter 2 cm (Transanale 3D-Ultraschalldiagnostik von Sphinkterdefekten und rektovaginalen Fisteln, Prof. Löhnert, Springer).
7. Therapie
7.1 Möglichkeiten der operativen Therapie einer analen Inkontinenz
- Operation des Muskeldefektes im Sinne einer Sphinkterrepair. Es gibt verschiedene Ansätze, je nach Arzt. Im Grunde genommen, geht es darum die offenen Muskelenden des analen Schließmuskels mittels überlappender oder End-zu-End-Naht wieder zusammenzunähen. Es gibt auch Ärzte, die zusätzlich noch eine Levatorplastik oder Dammrekonstruktion damit verbinden. Meiner Meinung nach wäre es wichtig, auch Muskeldefekte im Perinealbereich dabei mitzuversorgen. Auch diese Muskeln haben/hatten eine Funktion.
- SNS oder Sakrale Neuromodulation/Nerven-Stimulation oder auch umgangssprachlich als Beckenbodenschrittmacher bezeichnet.
- Bulking agents sind kleine Depots aus Silikon, die oberhalb des Defektes eingespritzt werden. Es werden quasi künstliche Hämorrhoiden angelegt, die die defekte Stelle ein wenig abdichten sollen. Das wird auch von manchen Ärzten angeboten.
- Operation im Sinne einer Grazilisplastik.
- Ev. Sphinkkeeper und künstlicher Schließmuskel.
- Stoma (künstlicher Darmausgang).
7.2 Konservative Therapien der analen Inkontinenz
- Physiotherapie
- Anales Biofeedback mit oder ohne Strom
- Tibiale Nervenstimulation
- Magnetstuhltherapie
- Eematraining-Ganzkörperstromanzug mit Mittelfrequenzstrom. Empfohlen v. Dr. Armin Fischer (Urogyn).
- Diät, also keine blähenden Nahrungsmittel usw.
- Der Stuhl sollte eine „optimale Form“ vorweisen. Also Durchfall kann schlechter gehalten werden als fester Stuhl. Das kann gelingen mit Flohsamenschalen.
- Bei Durchfall können eventuell stopfende Medikamente (Loperamid) helfen, den Stuhl einzudicken, je nach Ursache des Durchfalles.
- Nahrungsmittelunverträglichkeiten beobachten und abklären lassen.
- Wenn eine Sphinkterrepair gemacht wurde, sollte der Stuhl nicht zu fest werden, damit alles gut verheilen kann. Da können Stuhlweichmacher wie Laxatan, Dulcosoft oder Macrogol helfen. Bei manchen Frauen reicht ausreichend Magnesium. Ich achte mein Leben lang, darauf dass mein Stuhl nicht mehr zu fest wird, da ich das Gefühl habe, dass der SM ein wenig enger ist. Generell soll Verstopfung und pressen auf der Toilette vermieden werden, da es nachweislich den Beckenboden schädigt.
- Eine morgendliche Darmentleerung anstreben! Weil man dann, weniger Angst vor „Unfällen“ und übelriechenden Winden haben muss, weil der Darm schon entleert ist. Winde sind dann meist weniger und oftmals geruchlos. Klappt das nicht durch „Morgenroutine“ kann man nachhelfen.
- Wie kann man nachhelfen? Morgens, bevor man das Haus verlässt, den Darm mittels einer Klistierbirne oder einer analen Irrigation/Einlauf entleeren.
- Empfehlung nach jeder Darmentleerung mit Wasser reinigen, bei Bedarf unter der Dusche abduschen, um die Haut im Damm/Analbereich und auch Narbennischen sauber zu halten.
- Podusche, diese ist auch für unterwegs praktisch.
- Wenn eine Frau das Problem hat, nach der Darmentleerung nicht mehr sauber zu werden, kann es sein, dass ihr der Prokticlean hilft. Das ist ein Stift, mit dem Stuhlreste aus dem Analkanal entfernt werden – zusätzlich zur Reinigung unter fließendem Wasser.
- Bei wunder Haut helfen Mirfulansalbe und als Schutz Deumavansalbe.
- Es gibt auch spezielle Unterwäsche mit Aktivkohlefilter, die zwar nicht das Geräusch, aber den Geruch nehmen können. Sie heißen Shreddies.
8. Wissenswertes-umdenken und Infragestellen von alten Denkmustern.
Das Tabu betrifft auch Ärzte und Geburtshelfer! Das Problem der analen Inkontinenz, durch Geburtsverletzungen auch bei älteren Frauen ist den Proktologen sehr wohl bekannt. Mir wurde das so von allen Proktologen erklärt. In einem Artikel der Zeitung Kurier steht, dass von 10 Inkontinenten 9 Frauen sind! Als Hauptursache werden Schwangerschaft und Geburt genannt. Die allgemeine Formulierung, dass bei Dammrissen mit Schließmuskelverletzungen oftmals sowohl Schwangerschaft, als auch vaginale Geburt als Ursache genannt werden, ist leider häufiger zu lesen. Auch in diesem Beitrag steht, dass es häufig in der Schwangerschaft und bei Geburten zu einem unbemerkten Riss des äußeren analen Schließmuskels kommt. Das ist eine sehr „allgemeine Ausdrucksweise“. In der Schwangerschaft kommt es nicht zu Dammrissen soweit mir bekannt ist und deshalb auch nicht zu Schließmuskelrissen, wohl aber bei der vaginalen Geburt. Sollte es schon in der Schwangerschaft zu Dammrissen oder Schließmuskelrissen kommen können, wäre es sehr interessant zu erfahren, wie sie diagnostiziert werden? Wird schon bei Schwangeren eine anale Sonographie gemacht? Gibt es Frauen, die in der Schwangerschaft plötzlich einen Dammriss erleiden?
Sollte es in einer Folgeschwangerschaft nach einer oder mehr vorangegangenen vaginalen Geburten zu Symptomen einer analen Inkontinenz kommen, sollte eine Diagnostik zu eventuell vorhandenen Schließmuskelverletzungen durchgeführt werden. Ebenso sollte die Frau über die Möglichkeit eines Kaiserschnittes aufgeklärt werden, um einer Verschlimmerung der analen Inkontinenz vorzubeugen. Es wird oft behauptet, ein Kaiserschnitt schützt nicht vor Inkontinenz. In Bezug auf die anale Inkontinenz aufgrund von Schließmuskeldefekten, die leider manchmal traurigerweise übersehen werden, wie die Informationen davor aufzeigen, habe ich hier einen Beitrag, der das Gegenteil beweist. Es ist ein Artikel auf PubMed. aus dem Jahr 2018. Grob zusammengefasst, geht es darum Schließmuskeldefekte, die 15-24 Jahre nach einer Geburt vorhanden sind und ihre Verbindung zur Entwicklung einer Stuhlinkontinenz zu bestimmen. Die Studie suchte auch Antworten bezgl., direkt nach der Geburt gemeldeten Schließmuskeldefekten und vergleicht sie mit Frauen deren Schließmuskelverletzung erst 15-24 Jahre später im Ultraschall entdeckt wurde. Diese Studie kommt zu dem Ergebnis, dass nach Kaiserschnittgeburten keine Schließmuskeldefekte gefunden wurden! Darüber hinaus kommt sie zu dem Ergebnis, dass die Entwicklung einer Stuhlinkontinenz zu einem hohen Anteil mit Schließmuskeldefekten assoziiert war (Analsphinkterdefekte und Stuhlinkontinenz 15-24 Jahre nach der ersten Entbindung: eine Querschnittstudie, Mai 2018, auf PubMed).
Ein Beitrag, weil es so traurig ist, dass sich die Situation in 20 Jahren für Frauen nicht gebessert hat. Es wird angesprochen, dass die vaginale Geburt zu Langzeitschäden des Beckenbodens und analer Inkontinenz führen kann. Ebenso dass aus damaliger Sicht, sollte der Wunsch nach einem Wunschkaiserschnitt bei einer Frau bestehen bleiben, ein Kaiserschnitt medizinisch vertretbar ist (Anale Inkontinenz nach vaginaler Geburt: Ein Argument für den Kaiserschnitt auf Wunsch? Deutsches Ärzteblatt 2002)….Wenn Frauen informiert werden, ordentlich diagnostiziert und ihnen die Sicherheit gegeben wird, es werden auch nach vaginalen Geburten ihre Geburtsverletzungen bestmöglich versorgt und weiter therapiert, wenn sie mit ihren Beschwerden ernst genommen werden, kann den Frauen das Vertrauen in die Geburtshilfe gegeben werden und es muss nicht als einziger Ausweg, die Vorbeugung über den Kaiserschnitt gewählt werden.
Brennpunkte:
- Ein Kaiserschnitt setzt seine Verletzung am Unterbauch. Über die Risiken des Kaiserschnittes muss aufgeklärt werden.
- Die vaginale Geburt, setzt mit einem hohen Risiko eine Verletzung am Beckenboden. Über diese Risiken muss derzeit nicht aufgeklärt werden.
Über Muskelverletzungen im Beckenbodenbereich nach vaginalen Geburten wird leider gerne geschwiegen. Sowohl, vor als auch nach einer Geburt. Es ist leider ein Tabuthema auch unter medizinischem Personal. Das muss sich endlich ändern-zum Wohle der Patientinnen. Mir wurde auch erklärt, man will den Frauen ja keine Angst machen. Hier werden Frauen wie Unmündige behandelt. Es werden ihnen wichtige Informationen vorenthalten, sie können somit nicht mehr selbst entscheiden, weil ihnen das Wissen fehlt. Leider ist es noch nicht Standard, dass Frauen mit Problemen der analen Inkontinenz und auch allen sonstigen Beschwerden, die mit Muskelverletzungen nach vaginalen Geburten vergesellschaftet sind, auch ordentlich durchdiagnostiziert werden. Dazu gehört neben der analen Sonographie auch eine Perinealsonographie. Viele Frauen, die einen tiefen Dammriss haben, dazu zählen auch die nicht Erkannten, haben auch meist
Puborektalisdefekte oder Levatoravulsionen. Selbst in Beckenbodenzentren wird hier unterschiedlich genau diagnostiziert. Leider werden solche Defekte oft gar nicht diagnostiziert.
Warum ist das aber wichtig? Weil die Frauen ein Recht darauf haben, zu wissen, woher ihre Beschwerden
kommen und auch ein Recht darauf, über ihre Verletzungen Bescheid zu wissen. Es ist ihr Körper und ihre Zukunft. Es entscheidet darüber, ob eine Therapie oder eine OP erfolgreich ist oder nicht. Die Frau kann dann auch weitere Geburten mit einem guten Gefühl selbstbestimmt planen. Nach Geburten mit Schließmuskelverletzungen sollte der Frau ein KS bei der nächsten Geburt angeboten werden, um eine Verschlimmerung der analen Inkontinenz vorzubeugen. Natürlich kann eine Frau auch noch einmal vaginal entbinden, wenn sie das möchte. Ohne Wissen über die Risiken, kann sie aber keine selbstbestimmte Entscheidung treffen.
Ein Vergleich: Wenn jemand beim Schifahren stürzt und es zu Muskelrissen kommt, werden diese ordentlich diagnostiziert und auch versorgt. Niemand stellt in Frage, dass der Betreffende „geschont werden“ sollte und lieber nichts über seine Verletzungen wissen sollte. Er hat ja Beschwerden und die Ursache wird genannt und bestmöglich versorgt.
Warum ist es nach vaginalen Geburten sehr oft so ganz anders?
Es liegt an vielen Faktoren, die dringend reformiert werden müssen! Ein eigenes riesengroßes Thema!
9. Zukunftsperspektiven
Leider gibt es viel zu wenig Ärzte, die sich mit diesem Thema generell befassen. Das betrifft die Diagnostik, aber noch viel mehr die Reparatur und Regeneration von Muskeldefekten nach vaginalen Geburten. Hierzu sollte endlich viel mehr geforscht werden! Das Wissen über solche Verletzungen gibt es schon so lange.
Ärzte, die solche Schließmuskeldefekte und auch Puborektalisdefekte oder auch Perinealmuskeldefekte im Nachhinein noch operieren sind leider selten.
Es wäre sehr erfreulich, wenn sich hier mehr Ärzte finden würden, die sich mit dem Thema postpartale Beckenbodenverletzungen beschäftigen würden. Seit einigen Jahren ist zum Thema nicht oder schlecht versorgte oder verheilte Geburtsverletzungen, eine sehr positive Entwicklung in Schweden zu beobachten. Dort wurden viele Verbesserungen eingeführt. Es gibt eigene Schwerpunktzentren, in denen die Frauen auch noch Jahre nach der Geburt operiert werden. Es werden Schließmuskelverletzungen, schlecht verheilte oder nicht genähte Dammrisse im Sinne einer Perineorraphie rekonstruiert. Im Vordergrund steht hierbei eine anatomische Muskelrekonstruktion, um die Beschwerden der Frauen zu verbessern. Auf dieser schwedischen Website kann man sich sehr gut zu dem Thema informieren (backenbottenutbildning.se).
Ein weiteres Land ist Dänemark mit ihrem Beispiel der Aarhus-Klinik, sie reparieren schlecht verheilte oder unterdiagnostizierte DR innerhalb von 2 Wochen nach der Geburt mit einer Sekundärnaht. Diese Entwicklung, in der Schweden und Dänemark als Vorbild fungieren können, wäre auch für den deutschsprachigen Raum eine wirklich große Erleichterung für betroffene Frauen.
Es gibt auch Forschungen, die sich mit der Regeneration von Muskelverletzungen beschäftigen. Auch dieser Bereich macht Hoffnung. Leider ist es noch unüblich diese Verletzungen im Nachhinein zu reparieren, mit
dem Argument das Outcome wäre schlecht. Vielleicht gibt es aber auch zu wenig Erfahrung auf dem Gebiet, bei den meisten Ärzten. Die paar wenigen Ärzte, die es operieren, sprechen von besseren Erfahrungen. Es wäre schön, wenn auch Frauen mit übersehenen Dammrissen eine Chance auf eine verspätete Operation, ihrer Geburtsverletzungen bekommen würden. So wie es in Schweden oder Dänemark oder sicher bei einzelnen Ärzten bereits angeboten wird!
Thema: Rettungskette! Was wir brauchen, ist eine Rettungskette, um betroffene Frauen gleich zu Schwerpunktzentren weiter zu verweisen. Das sollte in Zeiten der digitalen Vernetzung eigentlich kein Problem mehr sein. Ebenso sollte eine anschließende Rehabilitation, wie nach anderen Unfällen oder Operationen, endlich Standard werden.
10. Abschluss – nur ein kleiner Riss
Meine Hebamme sagte damals zu mir im Kreissaal nach der Geburt: „Nur ein kleiner Riss, Dammriss 1. Grades.“ Die Anatomie lügt nicht, sie entspricht der Realität. Die Diagnostik und die Dokumentation werden von Menschen gemacht, die auch manchmal Fehler machen. Ich habe im Kreissaal und in der Geburtenabteilungsakte einen dokumentierten DR 1 und im Kreissaal zusätzlich einen DR 2 dokumentiert, scheine somit in der Statistik nicht mit einer Schließmuskelverletzung auf, hatte aber einen großen Schließmuskeldefekt bei stark verkürztem, durchgehend vernarbtem Damm mit allen Symptomen eines höhergradigen Dammrisses. Alle Perinealmuskeln defekt und Puborektalisdefekt. Ich hatte eine verspätete Schließmuskelreparatur mit Levatorplastik, 4,5 Jahre nach der Geburt. Es geht mir dadurch viel besser, trotzdem leide ich unter Langzeitfolgen der nicht versorgten Geburtsverletzung.
Studien und Literatur:
- Sultan et al 1993
- Studie DR 3/4, 5 Jahresdaten bezogen auf Prävalenz und Outcome eines Perinatalzentrums Level 1
- Transanale (3D-) Ultraschalldiagnostik von Sphinkterdefekten und rektovaginalen Fisteln, Prof. Löhnert, Springer link
- Kurier am 22.06.2015 zum Thema: Ein großes Tabu: Stuhlinkontinenz
- Analsphinkterdefekte und Stuhlinkontinenz 15-24 Jahre nach der ersten Entbindung: eine Querschnittstudie, Mai 2018, auf PubMed
- Anale Inkontinenz nach vaginaler Geburt: Ein Argument für den Kaiserschnitt auf Wunsch? Deutsches Ärzteblatt 2002
- backenbottenutbildning.se
R.M., aktualisiert am 01.02.2025