Auf dieser Seite schildert eine Betroffene ihre ganz persönlichen Erfahrungen mit Pessaren.
Das erste Mal von Pessaren hörte ich mehr als ein Jahr nach meiner Geburt. Mein Urogynäkologe, zu welchem ich mich nach mehreren Untersuchungen bei Gynäkologinnen und mehreren erfolglosen Beckenbodentrainings mit falschen Heilungsversprechungen selber angemeldet habe, zeigte mir ein Pessar gegen die Urin-Belastungsinkontinenz. Es handelte sich um den Contrelle Activgard-Pessar aus Schaumstoff, welcher mit den Fingern oder mit Hilfe eines Stabes (Applikators) in die Scheide eingeführt werden kann. Ich empfinde die Handhabung als unkompliziert. Da meine Inkontinenz sehr ausgeprägt war, bewirkte dieses Pessar nur eine bedingte Verbesserung. Allerdings bemerkte ich gleichzeitig, dass dieses Hilfsmittel die Senkungsbeschwerden der Gebärmutter, leider aber nicht die des Darms, linderten. Aber immerhin. Man nimmt in solcher Not alles dankend an, was in der einen oder anderen Weise das Leid etwas zu mildern vermag.
Im Verlauf der Jahre lernte ich viele unterschiedliche Pessare kennen. Dafür musste ich verschiedene Fachpersonen besuchen, denn jede Fachperson hatte ein paar wenige Modelle, die sie kannte. Auf eine Fachperson, die tatsächlich mit einem breiten Sortiment von Pessaren arbeitet bzw. sich damit auskennt, bin ich leider nie gestossen. Das wäre allerdings mit vielen Vorteilen verbunden, denn die Körper und Verletzungen der Frauen, denen Pessare helfen könnten, sind so unterschiedlich, dass man die verschiedenen Modelle im Grunde an einer einzigen Fachstelle durchprobieren können müsste, um an das für die persönliche Situation am geeignetsten Hilfsmittel zu gelangen. Ich kann empfehlen, zusätzlich selber nach Pessaren bzw. Vaginaltampons zu suchen und mit dem Wunsch, diese auszuprobieren, zu der Therapiestelle zu gehen.
Da ich vor der Geburt während den Regelblutungen höchstens Tampons der mittleren Grösse getragen hatte, schluckte ich leer, als ich zum ersten Mal ein mir angebotenes Würfelpessar betrachtete. Es gehört der kleineren Grösse an, dennoch konnte ich mir beim besten Willen nicht vorstellen, wie ich so ein Riesending “da unten” rein bringen sollte. Tatsächlich funktionierte das von der Grösse her relativ gut mit dem Einberechnen von genügend Zeit und vorsichtigem Ausprobieren, und mit der Zeit fand ich für mich die richtigen Bewegungsabläufe.
Was mir bei allen Pessaren, vor allem bei denjenigen, die nicht aus Schaumgummi sind, das Einführen und Herausnehmen erschwert, sind die Vernarbungen beim Scheideneingang und insbesondere diese am Damm, welche mir auch sonst im Alltag immer wieder grosse Beschwerden macht und leider nicht zu korrigieren ist. Ebenfalls stellt der Urethrawulst (ein «Gewebeklumpen» beim Vaginaeingang), der sich ebenfalls nach der Geburt gebildet hat, ein Hindernis für eine problemlose Einführung des Pessars dar. Auch die krankhaft veränderte Verformung der Vagina, die verschiedenen Einbuchtungen aufgrund von Senkungen und die Narbe der TVT-Operation stellen ein Erschweren beim Einführen der Pessare dar. Das Rausnehmen geht jeweils um ein Vielfaches einfacher.
Nach und nach habe ich mir eine persönliche Sammlung von Pessaren und Vaginaltampons angelegt, die ich – je nach Situation – trage oder für einige Zeit auf die Seite lege, denn ich habe die Erfahrung gemacht, dass jedes davon, das im Allgemeinen gut in meiner Scheide sass, seine eigenen Vor- und Nachteile zeigt. Das eine Pessar konnte die Belastungsinkontinenz ziemlich gut beheben, dafür die Senkungsbeschwerden kaum lindern, ein anderes konnte die Blase kaum abdichten, dafür den gesenkten Enddarm wie eine Schiene stützen und die damit verbundenen Senkungsbeschwerden lindern und die Stuhlentleerung erleichtern. Wiederum ein anderes stützt die Gebärmutter gut, macht mir aber immer wieder Probleme beim Einführen, da es mir – auch nach mehrjähriger Erfahrung – immer wieder mal aus der Hand gleitet und dann viel zu schnell und unsanft “ab durch die Mitte saust” und gegen die Gebärmutter stösst. Auch drückt bei mir jedes Pessar irgendwo. Schon allein, um die jeweils betroffene Stelle zu entlasten, muss ich am nächsten Tag auf ein anderes Modell ausweichen.
Bislang habe ich kein Pessar kennen gelernt, das mir alle Beschwerden auf einmal lindert. Hinderlich sind wohl auch die einseitigen Verletzungen und die durch die Verletzungen verloren gegangene Symmetrie. Es bräuchte definitiv ein individuell angepasstes Hilfsmittel, wie dies bei Schuheinlagen oder einer Zahnspange der Fall ist.
Da es nach der urogynäkologischen Untersuchung sonnenklar war, dass Beckenbodentraining bei meiner massiven Harn-Belastungsinkontinenz nichts nützen kann und die Pessartherapie zu wenig Nutzen brachte, entschied ich mich für die TVT-Operation. Diese hat mir enorme Linderung verschafft. Die Nebenwirkungen, die sich bei mir zeigen, stehen in keinem Verhältnis zu der grossen Belastung des vorherigen ständigen Urinverlusts. Diese OP erwähne ich an dieser Stelle, weil sie sowohl positive wie auch negative Veränderungen in Bezug auf die Pessartherapie brachte. Der ganz grosse Vorteil zeigt sich darin, dass ein Pessar bei mir nun ausschliesslich die Senkungsbeschwerden therapieren muss. Das vereinfacht die Wahl, da bei meinen individuellen Beschwerden stets eine Kompromisslösung auch in Bezug auf die Harninkontinenz gesucht werden musste. Andererseits kann ich ein Pessar, das ich vorher gerne ab und zu getragen habe, nicht mehr gebrauchen, da sich die Form meiner Scheide durch die OP zusätzlich verändert hat und das betreffende Pessar nun herausrutscht. Weiter hat sich an einer Stelle auf der Narbe direkt über dem TVT-Band eine Druckstelle gebildet, die möglicherweise operativ entfernt werden muss. Bei diesem Eingriff müsste aber auch das Band an der betreffenden Stelle beschädigt werden. Das bedeutet: Es bleibt mir zumindest vorerst nur ein einziges Pessar, das die betreffende Druckstelle nicht berührt, gleichzeitig aber nicht eine wirklich gute Stützfunktion bei meinen Beschwerden hat.
Eine Beckenboden-Physiotherapeutin hat mir den Tipp mitgegeben, ein fettfreies Gleitgel (K-Y) auf das Pessar aufzutragen (bei Würfeln: nur auf die Kanten). Das hilft mir sehr beim Einführen, und die Scheide wird so auch etwas befeuchtet. Andere Fachpersonen empfehlen je nach Bedarf eine östrogenhaltige Creme oder eine Fettcreme. Welche Gels und Cremes sich eignen, sollte mit der begleitenden Fachperson besprochen werden, die sich mit Pessaren auskennt.
Es wird generell empfohlen, die Tragedauer von 12 Stunden nicht zu überschreiten. Das ist im Alltag natürlich ziemlich schwierig, auch deshalb, weil die Senkungsbeschwerden immer da sind und der Tag länger dauert als die angegebene Zeit. Hier entscheide ich mich jeweils individuell: Wann sitze bzw. stehe ich viel? Wann ist die Linderung der Symptome wichtiger: Am Morgen oder am Abend? Wann habe ich Zeit, das Pessar einzusetzen bzw. zu entfernen? Kann ich das bei Bedarf auswärts machen, oder muss ich dazu zu Hause sein? Hilft es mir, wenn ich mit dem Einsetzten des Pessars zuwarte, bis der Darm entleert ist oder erleichtert mir das Pessar im Gegenteil sogar, den Darm zu entleeren?
Die Pessartherapie ist für mich immens wichtig. Ohne Pessare hätte ich noch viel grössere Einschränkungen im Alltag, als ich es durch all die anderen Beschwerden aufgrund der Geburtsverletzungen sonst schon habe. Oft sind die Senkungsbeschwerden so ausgeprägt, dass ich kaum mehr etwas anderes denken kann. Dabei steht in meinem Fall nicht ein Schmerz im Vordergrund, sondern vielmehr eine äusserst dominante Missempfindung. Am besten kann ich diese mit einer Wimper im Auge vergleichen. Diese stellt oft nicht ein Schmerz dar, aber etwas so Unangenehmes, dass man zuerst die Wimper heraus nehmen muss, bevor man sich wieder etwas anderem widmen kann. Mit meinen Senkungsbeschwerden ist es genau so: Erst, wenn das Pessar drin ist, kann ich mich wieder besser anderen Gedanken widmen und bin körperlich zu mehr Aktivitäten im Stande.
Genau so, wie das Tragen des Pessars eine Erleichterung darstellt, stellt der Zustand nach der Entfernung des Pessars eine Belastung dar. Denn dann rutschen all die Organe wieder an die krankhafte Position, und die Beschwerden sind alle wieder da.
In meinem Umfeld gibt es so viele Frauen, die seit dem Gebären unter Senkungsbeschwerden und Inkontinenz bzw. Entleerungsstörungen leiden. Dennoch hat kaum eine dieser Frauen je von der Pessartherapie gehört. Warum muss eine Frau bis heute «Glück» haben, damit sie überhaupt zu dieser Therapie kommt? Warum kennen sich erst so wenige Fachpersonen, die in der Geburtshilfe tätig sind, mit diesem wichtigen Hilfsmittel aus? Warum wird nicht jede Frau – was ja generell ein schändlich vernachlässigtes Thema ist – nach jeder Geburt gründlich untersucht – auch nach inneren Verletzungen – und ihr eine gezielte persönliche Therapie angeboten? Die Pessartherapie – wo nötig und sinnvoll – inbegriffen?
Hier möchte ich allerdings noch Bedenken anfügen: Eine Pessartherapie kurz nach der Geburt wäre bei mir vermutlich noch gar nicht möglich gewesen. Ich hatte starke Verletzungen, die erst verheilen mussten. Und zusätzlich hatte ich Verletzungen, die erst nach Jahren von sehr kompetenten Spezialisten entdeckt wurden und die wohl in den Wochen und Monaten nach der Geburt ebenfalls keinen Druck oder Zug ertragen hätten. Eine saubere, gründliche Diagnose wären wohl ein absolutes Muss, bevor ein Pessar platziert wird.
Was für mich immer wieder eine zusätzliche psychische Belastung darstellt, ist die Tatsache, dass ich durch das Einführen des Pessars notgedrungen in meine so kaputte Vagina greifen muss. Zwar bin ich mir meinen Verletzungen jede Sekunde bewusst, aber das Anfassen dieses intimsten der intimen Körperteile, das so gar nichts mehr mit der gesunden Vagina von vor der Geburt zu tun hat, erschüttert mich dennoch immer wieder aufs Neue. Von daher habe ich das Vaginalpessar am liebsten, das mit dem Applikator eingeführt werden kann. Hier kann ich diesen für mich emotional zusätzlich belastenden Punkt umgehen.
Als ich gelesen habe, dass manche Frauen mit Pessaren Intimverkehr haben, sind bei mir folgende Fragen aufgetaucht: Wie kann ein Geschlechtsverkehr möglich sein mit einem Pessar in der Scheide? Die Pessare sind gut zu ertasten und eher hart, wenn sie aus Silikon sind, was ich mir ungünstig bis unmöglich vorstelle für einen Penis, der daran stösst. Ist vielleicht eher gemeint, dass Frauen bei sexuellen Aktivitäten das Pessar drin haben, aber für den Geschlechtsverkehr dann herausnehmen bzw. diese zentrale Form der sexuellen Aktivität auslassen?
Vielleicht erkennt sich eine betroffene Lesende in einigen Punkten wieder oder macht ganz andere Erfahrungen? Lesende sind herzlich eingeladen, uns ihre eigenen Erlebnisse via E-Mail-Adresse info@geburt-beckenboden.info zuzusenden. Nach Rücksprache und mit Erlaubnis der betreffenden Frauen veröffentlichen wir diese in anonymisierter Form gerne unter der Sammlung von Erfahrungen mit Pessaren.
Aktualisiert am 01.02.2025